Donnerstag, 12.09.2019

Sprachenmix und mentale Erschöpfung

Heute ist ein Tag, an dem ich einen neuen Höhepunkt an mentaler Auslastung erreicht habe. Ich hätte mir vorher nicht vorstellen können, dass die Anfangsphase in einem neuen Land auf dieser Ebene so anstrengend werden könnte. Mir ist erst in den letzten Tagen wirklich bewusst geworden, dass es eher eine mentale statt körperliche Erschöpfung ist, die mich abends todmüde ins Bett fallen lässt (wobei die körperliche Anstrengung durchaus auch vorhanden ist, wenn man an die bisherigen Ausflüge und Beachvolleyball-Tage denkt). Denn wie uns ein Dozent heute erklärt hat, müssen wir Erasmus-Studenten hier Tag für Tag eine ziemliche Anpassungsleistung vollbringen. All die neuen Eindrücke, Bekanntschaften und Neuheiten zu erleben und zu verarbeiten, ist anstrengender als gedacht. So langsam habe ich es fast schon satt, mich auf die immer gleiche Art und Weise neu eingetroffenen Austauschstudenten vorzustellen, mir Namen zu merken und Gesichter zuzuordnen. Denn bisher stellt sich all das noch nicht ein und auf jedem Event sieht man wieder neue Gesichter und lernt neue Menschen kennen. Das macht ohne Frage viel Spaß und gibt ein gutes Gefühl, ist aber auf Dauer auch sehr anstrengend. Was aber glaube ich am allermeisten reinhaut, ist die sprachliche Anpassung, vor allem der permanente Sprachenwechsel. In meiner ersten Woche haben wir fast ausschließlich Englisch gesprochen. Obwohl wir fast nur Deutsche waren, waren wir da ziemlich konsequent. Zum einen weil wir alle unsere Sprachkenntnisse verbessern wollten und nicht alle Spanisch konnten, zum anderen aber vor allem auch, um jederzeit eine offene Gruppe zu sein, der sich jeder unabhängig von seiner Muttersprache anschließen kann. Englisch ist im Allgemeinen die meistgesprochene Sprache unter den Austauschstudenten hier, logischerweise. Doch da die Deutschen in dieser Gruppe extrem gut vertreten sind, wird leider auch viel Deutsch gesprochen. Seitdem sich der Kreis der Leute, mit denen ich meine Zeit verbringe, immer mehr ausweitet und vermischt, spreche ich auch wieder mehr Deutsch. Das ist zwar eigentlich nicht das, was ich will, aber manchmal ist es auch unfassbar erleichternd, sich mal wieder in seiner Muttersprache unterhalten zu können. Es ist nämlich wirklich kräftezehrend, permanent solch große Bemühungen anstellen zu müssen, um das, was man denkt und sagen möchte, zum Ausdruck zu bringen. Das ist besonders beim Spanisch sprechen der Fall. Von daher ist es auch schön, hier so viele Deutsche zu haben. Trotzdem muss man immer aufpassen, dass man sich nicht zu sehr daran gewöhnt, Deutsch zu sprechen, um offen für andere zu bleiben und niemanden auszuschließen. Ich würde gerne viel mehr Spanisch sprechen, um so viel und so schnell wie möglich dazuzulernen, aber das funktioniert leider nicht immer. Daher ist es wirklich gut, dass ich wenigstens zuhause in der Wohnung viel daran arbeiten kann und keine andere Sprache als Ausweichmöglichkeit habe. Es ist auch interessant zu beobachten, wie unterschiedlich man hier mit den Menschen in seinem Umfeld kommuniziert. Zum Beispiel gibt es ein paar Leute, unter anderem auch Deutsche, mit denen ich prinzipiell nie Deutsch rede, sowie ein paar Leute, mit denen ich immer sehr gerne Spanisch spreche. Auch an Französisch habe ich mich mal wieder versucht, was jedoch eher deprimierend war! Die plötzlichen Sprachswitches innerhalb eines Gesprächs sorgen auch so manches Mal für lustige Situationen.

Dieses ganze Hin und Her mit den verschiedenen Sprachen ist so anstrengend und verwirrend, dass ich meine Familie am Telefon manchmal fast auf Englisch begrüße oder in jedem WhatsApp-Chat kurz überlegen muss, in welcher Sprache ich der jeweiligen Person antworten soll. Doch trotz aller Anstrengung macht es wirklich viel Spaß, so viel in verschiedenen Sprachen sprechen zu können und die eigenen Fortschritte sehen zu können. In einer Karteikarten-App trage ich immer meine neu gelernten Wörter ein und auch meine Einkaufslisten werden nur noch auf Spanisch verfasst. Ich hoffe wirklich, dass ich in den nächsten Monaten noch viel viel mehr dazulerne und diese wunderschöne Sprache, die in Spanien noch tausend Mal toller klingt als in Deutschland, irgendwann beherrsche.

Zum Schluss noch eine kleine “Anekdote” passend zum Thema. Heute hatte ich zum zweiten Mal einen Kurs, der auf gallego (Galizisch) gehalten wird. Erst habe ich mir nicht zugetraut, daran teilzunehmen, doch und Endeffekt hat man viel mehr verstanden, als ich erwartet hätte und es ist auch schön, ein bisschen  kulturellen Input aus der Region zu bekommen. Doch heute kam der Dozent herein und kündigte an, wir würden einen Film gucken. Das klang erstmal gut, bis er dann sagte wir müssten ihn wegen des unzureichenden Sprachmenüs auf Französisch gucken - mit portugiesischen Untertiteln! Das hat mir für heute dann erstmal den Rest gegeben...:D